23. Februar 2024
Gegen die Uni, wie sie ist:
Das Bildungsprojekt der Neuen Rechten
von Ann-Kathrin R.
Mitte 2021 gab es Wirbel: Sowohl in der Frankfurter Lokalpresse als auch in Antifakreisen und Recherchegruppen auf Twitter. Der Grund ist das neue Projekt einer rechten Gruppe, die sich in Frankfurt niedergelassen hat: „Die Gegenuni“. Die Medien beschreiben sie als ein „rechtsextremes Propagandaprojekt“ (Gießener Allgemeine), das „sich elegant gibt“ (Frankfurt Journal), eine „rechte Elite-Uni“ (Bild).
Sie selbst verstehen sich als Konkurrenz zu den etablierten, in ihren Augen linksliberalen Bildungseinrichtungen. Recht pathetisch (und gespickt mit antisemitischen und rechtsextremen Signalwörtern wie beispielsweise dem harmlos klingenden Begriff der „Globalisten“, der eine geheime, jüdische Macht beschreibt, die für die Weltveränderungen der letzten Jahrzehnte verantwortlich gemacht wird) macht es sich die Gegenuni in ihrem Selbstverständnis zur Aufgabe, die ideologische Hoheit endlich wieder in rechte Hand zu bringen und eben diesen „globalistischen Zeitgeist“ zu brechen.
Die Idee: ähnlich einer Fernuni haben eingeschriebene Studierende der Gegenuni Zugriff auf verschiedene Seminare und Lesekreise mit ergänzenden Skripten. Zum Ende des Semesters gibt es in vielen Seminaren Abschlusstests oder Diskussionsrunden mit dem Dozenten. Um als Dozent mitwirken zu können, sind keine Qualifikationen notwendig, dennoch strebt die Gegenuni langfristig eine Anerkennung des Gegenuni-Zertifikats als „universitären Grad“ an. So soll eine „junge, rechte Intelligenz“ aufgebaut werden- mit „jungen, gefährlichen Denkern“. Circa 2.000 Abonnenten hat, Stand Januar 2022, der Telegramkanal des Projekts. Laut eigenen Angaben bewegen sich die Teilnehmerzahlen der Seminare zwischen 40 und 250 Personen. Die Beitragskosten von 7€ monatlich (oder im Sparpaket 80€ jährlich) sollen neben dem Erhalt der Gegenuni selbst auch die Neurechte Szene weiter finanzieren. Die angebotenen Seminare lassen keine Zweifel an der Natur der Gegenuni zu: So veranstalteten sie im Sommersemester 2021 beispielsweise einen Lesekreis zum Buch „Kulturrevolution von Rechts“ des neofaschistischen Autors Alain de Benoist (siehe Infokasten) und im Wintersemester 2021 einen Marx Lesekreis, der das Kapital aus einer „anti-kommunistischen Perspektive“ bearbeitet. Auch ein Seminar zum Thema „Ethnosymbolismus“ findet sich im Katalog der Gegenuni- Ethnosymbolismus ist ein von der Neuen Rechten geprägter Begriff , der den tiefen Rassismus der Bewegung massentauglich machen soll, indem das Wort „Rasse“ durch „Ethnie“ ersetzt wird. Das unschöne Wort der „gefährlichen Masseneinwanderung“ wird so zur „ethnokulturellen Fragmentierung“. Die Auswahl der Gastdozenten spricht ebenfalls eine eindeutige Sprache. Unter anderem lehren Martin Semlitsch, aka Lichtmesz, aus dem berüchtigten Schnellroda Umfeld (die nur 145 Einwohner umfassende und oft als „Braunroda“ bezeichnete sächsische Gemeinde ist in den letzten Jahren ein Symbol für den Rechtsruck in Deutschland geworden, Sitz des neurechten Institut für Staatspolitik, Wohnort von Götz Kubitschek- zu ihm später mehr- und somit Hotspot für rechte Veranstaltungen und Umtriebe) wie auch der rechte Verschwörungs-Youtuber „Der Schattenmacher“, der auf seinem Kanal die „biologische und kulturelle Ungleichheit aller Rassen“ betont und Massenmord als die „nach rationalen Maßstäben effektivste, sich anbietende Lösung“ bezeichnet, um diese „Rassenproblematik“ zu lösen. Hinzu kommt der Trierer Rechtsextremist und Youtuber Christian Illner. Er wurde erst durch die rechtsextremistische „Identitäre Bewegung“ (IB) einem größeren, rechten Publikum bekannt. Was uns zur nächsten Frage bringt:
Wer steht eigentlich hinter der Gegenuni?
Gegründet wurde die Gegenuni im März 2021 von Erik Ahrens (zu seiner politischen Vorgeschichte siehe den Beitrag Kommentar Linke Liste und Ahrens). Auch wenn sich die Gegenuni bereits früh als unabhängig von anderen Neurechten Projekten und Bewegungen, wie der Identitären Bewegung und der „Ein Prozent Bewegung“ bezeichnete, sind die engen Verstrickungen mit eben diesen offensichtlich. Nachdem die Gegenuni ihren Sitz in Frankfurt Sachsenhausen verloren hatte, wurde als Sitz kurzzeitig eine Adresse in Wien aufgeführt, unter der auch IB-Kopf Martin Sellner lebt. Sellner träumt schon lange von einem Projekt wie der Gegenuni. Er bemängelte immer wieder das fehlende Niveau und das nicht genutzte „geistige Potential“ der Neuen Rechten. Treffen von Ahrens und Sellner vor dem Anlaufen der GU, sowie aggressive Werbung von ihm persönlich, wie auch von zahlreichen Accounts Identitärer Kader deuten zusätzlich auf die enge Beteiligung Sellners und der IB an dem Projekt hin.
Gegenuni Gründer Ahrens pflegt selbst gute Kontakte innerhalb der Neuen Rechten. Er ist Co-Autor eines im Antaios-Verlag erschienen Buches namens „Postliberal“, indem er die These aufstellt, die liberale Epoche neige sich dem Ende zu, es sei an der Zeit, eine neue Ordnung zu schaffen. Der Kapitalismus finde im Globalismus sein Endstadium, in der Zeit danach solle man sich auf den Nationalstaat, Religion und Familie zurückbesinnen. Geführt wird der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek, seines Zeichens wichtiger Kopf der Neuen Rechten, Mitbegründer der neurechten Denkfabrik „Institut für Staatspolitik“, AfD-Einflüsterer und federführend bei der Konzeption der IB. Der Verlag wird vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall unter Beobachtung gestellt und hat Verschwörungserzählungen wie „Revolte gegen den großen Austausch“, Hetze wie „Zurüstung zum Bürgerkrieg“, „Ausländergewalt in Deutschland“ und die deutsche Version von „Europa verteidigen“ veröffentlicht. Aus letzterem übernahm der rechtsextreme Terrorist Anders Breivik Texte für sein Manifest, mit dem er die Ermordung von 77 Menschen rechtfertigte. Außerdem hat der Verlag Autoren wie den ehemaligen konservativ-autoritären Diktator von Portugal, António de Oliveira Salazar, im Repertoire und wird über Mitglieder des Bundestages der AfD, beispielsweise Roger Beckamp und Matthias Helferich großzügig mit Steuergeldern finanziert. Diese nutzen ihre Abgeordnetenpauschale nämlich für Großbestellungen bei dem Verlag, die sie dann als Bürodekoration verwenden oder freimütig an Interessierte verschenken.
An diesem Beispiel wird die Gefahr des Projektes Gegenuni deutlich. Auch, wenn das Projekt selbst aus den eigenen Reihen nicht nur Lob erntet (in Foren und auch auf Twitter wurden viele rechte Stimmen laut, die dem Projekt zwar ideologisch zustimmten, denen aber der Bezug zur Praxis fehlte. So kommentierte ein Follower auf Twitter beispielsweise: „Ich hoffe auf der sogenannten Gegenuni gibt es auch Sportunterricht in Form von Kampfsport und Zehnkampf; keine Ahnung, wie ihr mit Büchern auch nur einen Blumentopf gewinnen wollt“) stellt es die Schnittstelle zwischen Interessierten, jungen Rechten und erfahrenen Rechtsextremen dar. Durch sie bekommt die schwächelnde IB die Möglichkeit, Menschen aus dem deutschsprachigen Raum zu sammeln und ideologisch auf Linie zu bringen. Anders als die Nazis der Alten Rechten treten die Neuen Rechten intellektuell, professionell und mit Verbindungen und Ressourcen im Rücken auf. Sie haben Anknüpfungspunkte an bürgerliche Vorstellungen und machen ihren Rechtsextremismus so salonfähig. Für uns Studierende ist es deshalb wichtig, eine klare Haltung gegenüber jeder menschenverachtenden Ideologie zu zeigen, egal, in welchem Gewand sie auftritt. Auf Anfrage der Frankfurter Rundschau kündigte die GU auch Aktionen an der Goethe Uni an: Selbstverständlich werde auch die Frankfurter Goethe-Uni „eines unserer kommenden Betätigungsfelder sein“. Neben Franco A. und den Flyern der rechtsterroristischen Atomwaffen Division also ein weiterer rechter Impuls an unserer Uni, gegen den wir uns organisieren müssen.